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2008 Recknitz Kanutour

Treffpunkt ist dieses Mal eine Windmühle. Eine Windmühle als Blickfang und in ihrer unmittelbaren Nähe eine alte Molkerei, umfunktioniert in ein Freizeitzentrum. Bekannt  unter dem Kürzel JAM. Gelegen am Fluss oder Flüsschen Recknitz. Sie sind in diesem Jahr Anlaufpunkt für die Kanutour 2008. Der Ort der Begegnung trägt den etwas wunderlichen Namen Bad Sülze. Hier wird zwar keine Sülze gebadet aber der Name lässt an so etwas denken. Es ist ein Badeort und klingt namentlich ähnlich wie die Nordseeinsel Sylt, platt gesprochen. Aber hier ist man nie so groß raus gekommen, denn wer badet schon gern in einem Moorbad. Bad Sülze, man kann es auch mit Salz und Salzgewinnung in der Vergangenheit verbinden.  Das hat wieder was mit unserem Fließgewässer zu tun. Denn dieses Moor wird von der Recknitz  durchquert. Die Recknitz fließt als ein früheres Grenzgewässer zwischen Mecklenburg und Vorpommern.

 

Sonnabend früh. Verschlafende, leidende und verkaterte Gesichter am frühen Tag. Aber das hält nicht lange an. Aufgerappelt je nach Temperament stehen die einen am Wasserhahn, um Kaffeewasser zu zapfen oder sich die nötige Morgenfrische in das Gesicht zu spritzen. Abfahrtstermin nach Tessin haben wir um dreiviertel neun. Tessin liegt im Mecklenburgischen in der Nähe von Rostock, ebenfalls an der Recknitz. Das Frühstück ist die Grundlage für einen langen Wasserwanderweg von einem Städtchen zum nächstem. Renate verhandelt, organisiert, behält die Übersicht. Alles andere an Aufgaben verteilt sich spontan. Abfahrt, die Kanus auf einem Hänger und acht Leute vorne weg im Transporter, zwei Autos mit den restlichen Leuten hinterher.

Wir fahren in zwei Etappen. Am ersten Tag von Tessin, am Oberlauf des Flusses nach Bad Sülze. Und Sonntag von B. S. aus nach Irgendwo auf dem Unterlauf. Zurück bleiben zwei treu sorgende Frauen. Am Wasserrastplatz in Tessin die Kanus entladen und Besatzungen bilden. Wir schwimmen flußab. Wie schön. Eine Strecke von dieser Länge haben wir noch nicht ausprobiert. Über zwanzig Kilometer. Zeit haben wir reichlich. Zweier-, Dreier-, und Viererboote schieben sich auf den hier noch schmalen Fluss. Und auch unsere Paddler im Gummiboot ziehen mit uns. Bis Bad Sülze sind drei Wehre zu umgehen. Die morgens noch grauen Wolken lösen sich mit der Zeit auf. Es wird ein wunderbarer Sommertag, blau, weiß, grün und blütenbunt. Wir sind die Kähne der fröhlichen Leute, Vorerst. Die unverbrauchte Energie ausgeruhter Leute gibt ein gewisses beschleunigtes Anfangstempo vor. Selbst der Wind spielt mit und bläst in die Fahrtrichtung. Der Kanuwart meinte am frühen Abend wären wir am Ziel. Gegen 18 Uhr. Die kanalisierte Recknitz ist wieder renaturiert worden. Zumindest am Oberlauf. Der Fluss zieht wieder seine alten Mäanderschleifen, und wir lernen Kurven fahren. Erst unbekümmert, na was ist das schon, kein Problem. Aber diese endlose Kurverei verlangt auch eine gewisse Steuertechnik und viel mehr Kraft als eine einfache gerade Strecke. Der Kanal ist durch Aufschüttungen unterbrochen worden. So sind viele Sackgassen entstanden. Der von den Kennern des Wassers gegebene Tipp, immer in die linken Arme einzubiegen, stimmt erst einmal. Die Landschaft verändert sich. Wir sind in das Recknitztal eingeschwommen. Links und rechts verstellen hohe Schilfwände den Blick in die weitere Umgebung. Dafür gibt es im Schilf und auf dem Wasser eine vielfältige Pflanzenwelt zu sehen. Wir bekommen große beeindruckende Binsen zu sehen, orchideenartige Blüten und natürlich Teichrosen, ab und an auch Seerosen. Trockene abgestorbene Bäume deuten die veränderten Wasserstände an. Über uns kreisen majestätisch Milane. Für Naturliebhaber das reine Paradies. Das erste Wehr ist schnell erreicht. Ein paar Betonplatten bilden die Anlegemöglichkeit. Vorsichtig anlegen, aussteigen, Leute und Last und Kanus an Land bringen. Über Land transportieren und in umgekehrter Reihenfolge hinter dem Wehr alles wieder ins Wasser bringen. Steine erschweren unsere Abfahrt. Wichtig ist, auch alle unsere Manöver zu fotografieren. Renate will sich nichts entgehen lassen. Wieder ist unser Boot zuerst auf dem Wasser. Die Wehre sehen alle gleich aus. Eine knallblaue Wand im Fluss. Nun sind die Wehrabstände Gesprächsthema für uns. Das dritte Wehr steht ungefähr auf der halben Strecke. Das zweite Wehr macht ähnliche Schwierigkeiten wie das Erste. Wir sind noch frisch bei Kräften. Da ich schon mit dem Rad diese Gegend abgefahren bin, versuche ich die Hänge von Dudendorf auszumachen. Aber auch hier Irrtum. Es sieht alles ähnlich aus. Endlich sehen wir die Brücke mit dem Wehr. Die Tore sind gezogen. Aber davor eine breite Krautbarriere, die von unserem starken Vierer durchquert wird. Aber wir leichteren Besatzungen fahren uns im Kraut fest. Es geht weder vor noch zurück. Die Viererbande sieht von der Brücke aus zu, wie wir uns mühen. Vom Land her wirft ein Mann eine Leine. Aber sie ist zu leicht und erreicht uns nicht. Christian ist mit seiner Vorschotfrau als nächster mit seinem Boot durch. Sie kommen zurück und helfen uns aus dem Kraut heraus. Mit vereinten Kräften wird das letzte Kanu aus dem Kraut geholt. Anschließend gibt es Kritik an die Leute von unserem Flaggschiff, die tatenlos von der Brücke zugesehen haben. Wir brauchen einen Platz für die Mittagspause. Am Kanalufer lädt uns eine trockene Wiese zur Rast ein. Wieder alles an Land hieven. Die ersehnte Pause. Wir sind in der Nähe von Recknitzberg. Die zurück gelegte Strecke und die Uhrzeit verwundern uns. Sind wir schnell oder? Sonnige Ruhe und für einige auch ein Mittagsschläfchen. Ein Kanu mit jungen Männern, das uns am ersten Wehr überholt hat, kommt seltsamer Weise erst jetzt an uns vorbei. Wir sehen sie auch wieder zurück kommen. Sie sind in einen toten Arm hineingefahren. Ein wenig später sehen wir sie schlafend auf einer Wiese. Die Mäander ziehen sich zu beiden Seiten des Kanals in engen Schleifen in die Länge. Manche Schlingen geben das Gefühl der Fluss will sich rückwärts noch einmal überholen. Überholt werden wir wieder von den ausgeruhten jungen Männern. Dann ist die Regel immer links abbiegen auf einmal nicht mehr stimmig. Auch wir müssen umdrehen. Ein Damm versperrt den Weg. An einer Gruppe Kanuten, feuchtfröhlich auf dem Wasser rastend, ziehen wir vorbei. Großes Hallo. Wo wir uns hier befinden, fragen wir. Sie wissen nur wo sie hinwollen. Sie sind wie wir eingesetzt oder ausgesetzt worden mit Bad Sülze als Endpunkt. Ich suche schon seit längerem das linke Ufer nach einen Aussichtsturm ab. Endlich, aus einer Kurve heraus, ist er zu sehen, noch ein Kilometer bis zum Rastplatz. Mit Sitzbeschwerden und schon kraftlosen  Armen wünschen wir uns ein Ende dieser „Tortour“ herbei. Eine Brücke, besetzt von Anglern ist zu passieren. Nicht verheddern, vorsichtig schlängeln wir uns an den Angelschnüren vorbei. Dann die nächste, die Straßenbrücke. Unsere Zelte sind zu sehen. Zwei Stunden vor der angegebenen Ankunftszeit ziehen wir die Kanus an Land. Die vielen Kilometer sind für uns zu einem Zeiträtsel geworden.

 

Mit dem Frühstück geht es schneller als gestern. Die Kanus liegen griffbereit an den Zelten. Nachwirkungen vom blauen Sonnabendabend scheint es nicht zu geben.

Eine unterschwellige Nervosität breitet sich aus. Ribnitz- Damgarten ist im Gespräch. Dort ist die Mündung der Recknitz. Wollen wir dahin? Utopisch für uns. Verschiedene Meinungen über das anzusteuernde Ziel werden diskutiert. Inzwischen werden die ersten Zelte abgebaut. Wir werden bei rechtzeitigem Anruf vom Kanuwart unterwegs abgeholt. Das Ziel liegt bei Irgendwo. Mit diesem einvernehmlichen Vorhaben geht es auf das Wasser. Kleine Änderungen in der Besetzung der Kanus. Aus dem Vierer steigt Ulli zu uns in den Dreier. Renate in den Vierer. Rauf auf den Unterlauf. Brückenunterquerung. Ein Schild vor der ersten Biegung warnt. Nach links, fordert es, sonst besteht Unfallgefahr wegen eines Wehres. Wieder eine Umleitung in das Urbett des Flusses. Wir passieren die „Saline 7“, ebenfalls ein Kanuverleiher. Vor uns die nächste Brücke. Eigentlich sehr spät bis zu spät sehen wir unter der Brücke eine beschleunigte Strömung, schwaches Wildwasser durch eine Steinpackung. Wo und wie hinüber? Christian als Erster nimmt dieses Hindernis mit Bravour. Wir bleiben in den Steinen hängen. Zu flach. Raus aus dem Boot und schieben. Dann kurzer Zuruf: Einsteigen. Erst ich, dann Ulli. Plötzlich verliert er das Gleichgewicht und fällt. Eben noch zu flach dann zu tief. Eine tückische Falle. Ein unfreiwilliges Bad mit Schrecksekunde. Dann die Erleichterung, es ist nichts passiert. Durchatmen, auflachen mit lästerlicher Schadenfreude vor und mit einem vergrößerten Publikum. Eine andere Kanuflotte wird gerade in dieses komische Wasser gelassen. Bei der Wärme sind durchgeweichte Klamotten kein Problem. Bleiben wird eine Erinnerung an dieses tückische Bad bei Bad Sülze. Andere Frage: Wie kommt der ahnungslose Kanute  hier flussaufwärts? Weiter nach Irgendwo. Die Schilfwände begleiten uns wieder. Die Temperatur steigt. Der Wind geht über uns hinweg, bringt keine Erfrischung. Langsam wird der Fluss breiter. Wir finden unseren Rhythmus, nehmen Fahrt auf. Zu schnell. Treiben lassen bis die Gruppe heran ist. Wieder und wieder. Inzwischen beschäftigt uns die Frage, warum es auf der Recknitz keine Wasservögel zu sehen gibt. Enten oder ähnliches. Wie sind hier die Lebensbedingungen für diese Tiere. Zu viele Feinde, keine Nahrungsgrundlage. Wir finden keine Erklärung. Langsam schiebt sich der Sendemast von Marlow über die Schilfränder in das Blickfeld. Der Mast ist noch sehr weit entfernt. Die Sonne leuchtet diffus durch den Dunst. Die Luft wird schwül. Die Sitzbeschwerden machen sich trotz Abpolsterung wieder bemerkbar. Das Durchhaltevermögen wird unser Irgendwo bestimmen. Unser Nahziel ist Marlow. Von Bad S. bis Marlow sind auf dem Fluss etwa neun Kilometer. Der Sendemast vergrößert sich nach jeder Biegung. Die ersten Dächer sind zu sehen. Vor uns liegen Bootshäuser. Dann der Rastplatz. Wir sind in Marlow, haben die Stadt mit dem großen Vogelpark erreicht. Anlegen, erholen. Die Strapazen von gestern stecken noch in den Körpern. Trinken, essen, ausruhen. Dann die besorgte Frage: Wie weit wollen wir noch? Auf der Karte ist Daskow der nächste mögliche Ort mit Anlegemöglichkeit. Reichlich 15 Kilometer. Zu weit. Was nun? Zur heißen Luft eine heiße Debatte über die vielen Vorschläge. Letztendlich bleiben wir in Marlow. Waltraut entscheidet sich, den Landweg zu nehmen. Sie wandert auf Schusters Rappen nach B. S. Bei der Wärme. Wer noch Kanu fahren will, kommt zum Rastplatz zurück. Ein paar Unentwegte steigen noch einmal ein. Unser Irgendwo liegt in einer Stunde und ein paar Minuten vor uns. Noch einmal in Richtung Mündung die Paddel eintauchen, und anschließend das gleiche zurück. Die Straßenbrücke wird unterquert. Ruhig ziehen wir dahin, begrüßen Angler auf einem Kahn, machen ein Schwätzchen. Dann ist es soweit. Das Irgendwo ist eine für uns letzte Biegung des Flusses. Zurück. Wieder der Angelkahn und die Frage ob was angebissen hat. Wenig später. Bewegung im Wasser, ein großer Körper zeigt sich. Keine Schuppen, ein Fell. Ein Otter, wenn auch nur für ein Sekundenbruchteil, ein besonderer Höhepunkt. Bald darauf sehen wir wieder die Brücke mit dem Rastplatz dahinter. Anlegen, auspacken, an Land holen, alles klar machen zur Abfahrt. Kanus auf den Hänger, die Hamburger Weltenbummler steigen zuerst in den Transporter nach B. S. Wir Greifswalder warten, betrachten die Ruderkünste der Kinder und ihrer Eltern aus der Bootshausgesellschaft. Auch wir sitzen etwas später im Auto, erhalten die lädierten Körperteile die nötige Schonung. Auch Waltraut hat ihre Wanderung überstanden. Abbauen, verpacken und wegräumen. Diese Handgriffe beherrschen wir schon im Schlaf. Fertig. Nichts ist mehr zu tun. Nun kommt das Schwerste des Tages, Abschied nehmen. Die letzten Fotos, die letzten Worte, Umarmungen und Hände drücken. Wir wollen uns wieder sehen. Im nächstem Jahr an und  auf einem etwas nördlicher gelegenem Fahrwasser.

 

R. Megelat

 

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